Wie verwandelte Jesus Wasser in Wein?
Jesus, seine Mutter Maria und seine Jünger waren Gäste bei einer Hochzeitsfeier in Kana in Galiläa (im Norden des heutigen Israel). Maria machte Jesus darauf aufmerksam, dass kein Wein mehr vorhanden sei. Da ließ er sechs steinerne Wasserkrüge mit je hundert Liter Wasser füllen. Als der Festmahl-Verantwortliche davon trank, war es Wein. Er sagt zum Bräutigam: „Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt.” So tat Jesus sein erstes Zeichen.
Der CHEMIKER
Grundsätzlich ist es möglich, Wasser in Wein zu verwandeln. Allerdings klappt das sicher nicht spontan und schon gar nicht innerhalb weniger Minuten. Aber vielleicht hatte Jesus ja auch so eine Elektrokatalyse-Anlage, wie wir sie im Labor benutzen. Wir gewinnen in einem elektrokatalytischen Verfahren aus Kohlenstoffdioxid und Wasser letztlich Alkohol. Damit wäre quasi Alkohol als Basis da, und vielleicht hat Jesus das Ganze dann mit Trauben verfeinert und als Wein ausschenken lassen. Aber ich befürchte, das hätte nach gar nichts geschmeckt. Schließlich ist guter Wein ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren. Es braucht die Langsamkeit des biochemischen Vergärens, in dem sich über Wochen die Aromen aus der Schale und der Frucht der Traube lösen. Dadurch entstehen neue fruchtige Geschmacksstoffe, die man im Labor nicht einfach so nachbauen kann.
Das Wunder von Jesus liegt in der Erfahrung, dass durch das Teilen ein Gefühl entstehen kann, gemeinsam mehr zu haben.
Das Wunder von Jesus bei der Hochzeit von Kana liegt aus meiner Sicht in der Erfahrung, dass durch das Teilen von Wein, Essen und Zeit und allen anderen Gütern kein Mangel, sondern ein Gefühl in der Gesellschaft entstehen kann, gemeinsam mehr zu haben. Ein schöner und wertvoller Gedanke übrigens, der viel zur Nachhaltigkeit beitragen kann und somit ohne Frage gerade jetzt sehr aktuell ist.
WOLFGANG SCHÖFBERGER ist Assoziierter Professor am Institut für Organische Chemie der Johannes Kepler Universität Linz.
Die WINZERIN
Es wird ein Fest gefeiert, die Menschen kommen zusammen und genießen. Das steht für mich im Vordergrund bei der biblischen Schilderung der Hochzeit von Kana. Wein und Feste hängen seit Jahrtausenden zusammen. Das freut mich als Winzerin natürlich.
Und in manchen Situationen wünschte ich: Es wäre schön, wenn auch ich einfach so Wasser in Wein verwandeln könnte. Aber Wein braucht seine Zeit. Erst ab dem dritten Jahr sind Reben für die Herstellung bereit. Hochwertige Weine kriegt man überhaupt erst ab dem achten, neunten Standjahr, weil dann die Pflanze die Wurzeln entsprechend ausgebildet hat. Und nach der Ernte braucht es wiederum ein Jahr, damit der Wein seine Aromen entwickeln kann.
Wasser ist Leben, insofern steckt in der Erzählung eine metaphorische Wahrheit.
Aber zurück zum Wasser: Wasser spielt bei Wein natürlich eine wichtige Rolle. Wasser ist Leben – und auch der Rebstock braucht Wasser, um zu gedeihen und Trauben hervorzubringen, die wiederum zu 80 Prozent aus Wasser bestehen. Insofern steckt eine metaphorische Wahrheit in der Erzählung. Und noch etwas: Jesus muss seine Sache mit der Verwandlung sehr gut gemacht haben, denn wenn ich mich recht an die Bibelstelle erinnere, sollen die Gäste damals gefragt haben, warum der beste Wein, also der, den Jesus beisteuerte, erst zum Schluss kommt.
MARIA FABER ist Bio-Winzerin und betreibt gemeinsam mit ihrer Tochter Anna das Weingut Faber-Köchl in Eibesthal im Weinviertel.
Der PFARRER
Dass Jesus geraten wurde, Tischler zu werden, obwohl er offenbar die Fähigkeit hatte, Wasser in Wein zu verwandeln – dieser Gedanke regt mich mitunter zum Schmunzeln an. Aber zurück zum Thema, zur Hochzeit von Kana: Dass Wasser zu Wein wird, also dass aus dem Wasser, das der Weinstock aus der Erde zieht, neuer Wein entsteht, ist eines der vielen Wunder der Schöpfung, die sich täglich unter uns ereignen.
Nicht nur in der Natur erleben wir das Wunder der Wandlung, es ist auch im alltäglichen Leben zu beobachten. Unsere Gaben und Talente können wie guter Wein sein. Sie können aber auch verwässert werden und den Geschmack verlieren.
Dass Wasser zu Wein wird,
ist eines der vielen Wunder der Schöpfung.
Obendrein hat die Geschichte eine soziale Komponente. Bei wohlhabenden Leuten wäre der Wein nicht ausgegangen. Keinesfalls im Orient, wo Gastfreundschaft und Feiern seit jeher großgeschrieben werden. Vermutlich war kein Geld da, um genügend Vorrat einzukaufen. Durstige Gäste auf ihrer Feier, für das Brautpaar war dies eine beschämende Situation. Weitgehend unbemerkt sorgen Maria und Jesus dafür, dass den Gastgebern diese Schmach auf ihrer Feier erspart bleibt. Es ist das Hochzeitsgeschenk Jesu, dass der Mangel in Fülle verwandelt wird – ein liebevolles Geschenk voller Takt und Anmut.
GERT SMETANIG begeistert wahlweise als Pfarrer der Pfarre Braunau oder als „Magic Priest“ mit seinen Zauberkünsten.
Der Artikel ist in "Grüß Gott! – Magazin über Gott und die Welt" erschienen. Das Magazin wird zwei Mal jährlich von der Katholischen Kirche in Oberösterreich herausgegeben. Alles bisher erschienenen Ausgaben zum Durchblättern: GrüßGott - Das Magazin der Katholischen Kirche in Oberösterreich (dioezese-linz.at)