"Im Glauben fühle ich mich aufgehoben"
1. Als Schauspielerin schlüpfen Sie in die unterschiedlichsten Rollen.
Vor zwei Jahren durften Sie die Mutter Oberin in „Sister Act“ verkörpern. Haben Sie in der Vorbereitung auch über Ihre eigene Beziehung zu Gott nachgedacht?
Ja, denn es war nicht zuletzt mein katholischer Hintergrund, der mir dabei geholfen hat, einen Zugang zu dieser Figur zu finden. In meiner Kindheit sind meine Mutter und ich jeden Sonntag in die Kirche gegangen, ich war in der Jungschar und Ministrantin, später habe ich eine Klosterschule besucht. Diesen Glauben, der darin seine Wurzeln hat, gibt’s heute noch. Er hat sich aber verändert. Mein Bild von Gott ist im Laufe der Zeit abstrakter geworden. Ich glaube aber auf jeden Fall an etwas Höheres, Liebendes, Wissendes, Allumfassendes. Das ist mir sehr wichtig, auch wenn ich natürlich bei weitem nicht mehr so oft in die Kirche gehe. Wenn ich doch einmal Zeit dafür finde, ist dieser Tag einfach anders. Ich spüre dann eine andere Form von Energie, die mir diese Gemeinschaft gibt. Es fühlt sich an wie ein wohlig warmer Mantel, den ich mir umlege.
2. Sie haben einmal gesagt: „Kunst kann uns Stütze sein, sie öffnet Horizonte und schenkt Freude. Sie schafft Verbundenheit.“ Sind Kunst und Glaube für Sie von ähnlicher Bedeutung?
Der Glaube ermöglicht mir, dass ich mich fallen lasse, weil ich mich darin aufgehoben fühle. Ich vertraue darauf, dass es gut ist. Dieses Sich-fallen lassen-Können, das habe ich letztlich auch auf der Bühne. Wenn ich auf der Bühne stehe, im Moment bin und mich hingeben kann, gibt es da auch einen Energiefluss, der sehr besonders ist. Das haben die Kunst und der Glaube wohl gemeinsam. Im Glauben finde ich persönlich auch Halt. Im Zwiegespräch, durch das ich hoffe, Kraft zu bekommen, eine Situation anders zu sehen oder sie durchzustehen. Diesen Halt finde ich manchmal auch im Beruf. Während der Pandemie, zum Beispiel: Als alles drohte einzubrechen, durften wir – zumindest im zweiten und dritten Lockdown – proben. Das war eine wichtige Stütze.
3. Hat sich Ihre Sicht auf das Leben seit der Pandemie verändert?
Ja, es hat sich seither ganz vieles relativiert. Ich habe zwar selbst keine Kinder, ich habe einen Stiefsohn und einen Neffen, für die ich da bin, und ich lebe in einer schönen Partnerschaft.
Aber ich habe mich viel über den Beruf definiert, dort meine ganze Energie reingesteckt. Plötzlich habe ich gemerkt, dass das eigentlich nicht so wichtig ist, wie es über die Jahre geworden war. Auch als andere Teile des Lebens weggebrochen sind, diese Befriedigungen wie Einkaufen oder Belohnungen wie auf einen Kaffee zu gehen, habe ich mich zuerst danach gesehnt, bevor ich einen Zustand gefunden habe, in dem ich etwas viel Reichhaltigeres entdeckt habe: die Nähe zu mir selbst.
Im Musiktheater in Linz hat Daniela Dett ihren Platz gefunden, und auch in der Kirche fühlt sie sich zu Hause – und konnte darum gut mit ihrer Rolle als Mutter Oberin in „Sister Act“. @ Raphael Gabauer
4. Haben Sie in dieser Zeit der Reflexion auch darüber nachgedacht, was Ihnen heilig ist?
Mein Körper ist mir heilig. Aber nicht im ästhetischen, eitlen Sinn, sondern im Rücksichtnehmen. Der Körper ist schließlich das Zuhause der Seele.
Weihnachten mit meiner Familie gehört übrigens auch zu den Dingen, die mir heilig sind. Das bedeutet im Vorfeld zwar immer etwas Organisationsstress – oder sagen wir, es ist organisationsintensiv –, weil meine Familie sehr verstreut lebt und ich durch meinen Beruf nicht so viel Zeit habe, wie ich gern hätte. Aber zu Weihnachten will ich jeden meiner Liebsten sehen. Andere Dinge sind nicht so bedeutend, um sie als heilig zu bezeichnen. Zu meinem täglichen Ritual gehört zum Beispiel ein Kaffee, aber der ist mir nicht heilig (lacht).
Daniela Dett, 44, lebt in Linz und ist hier als Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin am Musiktheater zu sehen. Für ihre Darstellung der Édith Piaf im Musical „Piaf“ erhielt sie 2020 den Bühnenkunstpreis des Landes Oberösterreich. Vor kurzem hat Daniela Dett auch ein Studium in Jazzgesang und Instrumental(Gesangs)Pädagogik abgeschlossen. @ Raphael Gabauer |
5. Im Mai 2022 stehen Sie erneut als Édith Piaf auf der Bühne. Die französische Sängerin wurde zeit ihres Lebens von schweren Schicksalsschlägen getroffen. Ist man, wenn man sich mit einer so tragischen Figur beschäftigt, eigentlich dankbarer für das eigene Leben?
Ich bin natürlich dankbar für meine Gesundheit und mein Talent. Auch für meine Familie, die sehr bodenständig und liebevoll ist. Das sind Geschenke für mich. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, ohne die Freiheit zu leben, selbst zu entscheiden. Ihr liegt alles zugrunde. Ich kann zum Beispiel die Entscheidung treffen: Na he, da ist jetzt eine Wolke, und da geht der Wind, und alles ist ein Scheiß. Oder ich kann die Entscheidung treffen, es positiv zu sehen: Trotzdem scheint die Sonne!
6. Was bedeutet Ihnen der Sonntag? Scheint da die Sonne für Sie besonders hell?
Der Sonntag ist etwas Besonderes. Er g’spürt sich noch immer anders an. Sogar wenn ich am Sonntag eine Vorstellung habe, ist das anders als an jedem anderen Tag. Ich schreibe dem Sonntag auch immer noch besondere Attribute zu: Tag der Einkehr, Tag der Ruhe. Wenn ich einmal nicht arbeite, gebe ich mich deshalb auch einfach dem Sein hin. Atme in meinem eigenen Rhythmus, tanke Energie. Ich kann mir Zeit nehmen, die Stille genießen. Eine der schwersten Übungen, an der wir uns viel öfter versuchen sollten: ruhig zu sein.
7. Ist das für Sie Glück: einer dieser Tage?
In gewisser Weise ja. Glücklichsein ist für mich am ehesten mit einer Sternschnuppe vergleichbar. Glücksmomente sind Augenblicke, in denen man frei herauslachen kann. In denen die Welt kurz rosarot ist. Momente, in denen ich mir sage: Bitte, Zeit, bleib genau jetzt stehen. Es ist alles gut, und alles ist richtig. Alles ist perfekt. ♦
Das Gespräch erschien erstmals im Herbst 2021 im Magazin "Grüß Gott!", das zwei Mal im Jahr von der Katholischen Kirche in Oberösterreich herausgegeben wird. |
Daniela Dett im Musiktheater Linz @ Raphael Gabauer |