
Pflaster fürs Herz
Zwei Klappstühle mitten auf der Linzer Landstraße: Würden Sie Platz nehmen und von Ihrem Leben erzählen? Falls Sie sich dazu entscheiden, kann es gut
sein, dass Ihnen Anita Buchberger gegenübersitzt. Und einfach zuhört.
Hauptberuflich ist sie für die kirchliche Jugendarbeit tätig, doch als ehrenamtliche Straßenseelsorgerin hat sie ein offenes Ohr für Menschen jeden Alters. Und sie weiß um die Kraft des Zuhörens: „Die Menschen fühlen sich einsam inmitten einer lauten Welt, in der oft nur Botschaften platziert werden, aber wenige wirklich hinhören, was ihr Gegenüber fühlt und sagt. Wenn man ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenkt, gehen sie mit einem besseren Gefühl in neue Herausforderungen.“
![]() |
ANITA BUCHBERGER ist Beauftragte für Jugendpastoral im Dekanat Weyer und eine der Initiatorinnen des Projekts „Erzähl mir was, ich hör dir zu“. @Raphael Gabauer |
Seelsorge ohne Schnickschnack
Zu der Idee kam es bei einem Ausflug nach Taizé. Der kleine ostfranzösische
Ort ist ein Treffpunkt für Zehntausende junge Gläubige aus der ganzen Welt. Anita und ihre Freundinnen hat der Austausch dort tief berührt. „So entstand die Idee, ganz unbürokratisch Projekte zum Thema Solidarität zu starten, nach dem Grundsatz der Nächstenliebe“, erinnert sie sich. Umgesetzt wurde dieser Gedanke mit der Aktion „Erzähl mir was, ich hör dir zu“ – in den Straßen und Gassen der Linzer Innenstadt.
Junge, engagierte Christinnen und Christen leihen den Menschen ehrenamtlich ihr Ohr, wofür auch immer und wie lange auch immer.
Und das kommt an. „Egal ob Banker, Punk oder Migrantin, sie alle wollten sich einfach mal aussprechen“, sagt Anita. Manche erzählen stundenlang, bis ihnen leichter ist, einige wollen nur zwischen hier und dort schnell etwas
loswerden. „Eine ältere Dame hat sich zwei Minuten Zeit genommen,
sich hingesetzt und strahlend mit uns geteilt, dass sie sich gerade auf den
Weg ins Krankenhaus macht, weil sie Oma geworden ist. Solche Momente
sind Geschenke.“
Wirkliche Begegnung kann durch nichts ersetzt werden.
Anita Buchberger
Diesen heiteren Augenblicken gegenüber stehen die Gespräche über
die Lasten der Menschen. Sie wiegen viel schwerer, gerade deswegen sind
sie Anita so wichtig. Die Zwiegespräche, die trotz aller Öffentlichkeit sehr
intim werden können, sind oft ein Spiegel der Zeit: 2015 waren einige
davon in gebrochenem Deutsch und handelten von erlebten Traumata
oder den Ängsten, in Österreich nicht willkommen zu sein. Heute
geht es oft um Einsamkeit, verlorene Zeit und Zerwürfnisse mit Freunden
oder Familienmitgliedern; einschneidende Ereignisse, die in Gesprächen
mit Anita immer ihren Platz finden.
Kämpfen für Kommunikation
Aber aufgeben kommt nicht infrage. Stattdessen geht Anita gegen die
Vereinsamung in die Offensive. „Ich habe die Sessel dann auch in
kleineren Gemeinden aufgestellt. Gerade am Land und ohne soziale
Treffpunkte ist das Zuhören besonders wichtig.“
Ein Gespräch ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: ein Maturant
ohne Maturaball, dessen Lebensfreude gerade im Sand versickert.
Doch das Reden half – und aus einem Gespräch wurden mehrere.
„Wir waren gezwungenermaßen viel zu oft vor dem Handy oder am Laptop
und nicht unter Menschen. Doch wirkliche Begegnung kann durch
nichts ersetzt werden.“ ♦