Aber hallo!
„Gib schön die Hand“, wurden viele von uns als Kinder angehalten. Manchen mag es dabei wie mir ergangen sein: Ich fand das oft gar nicht so leicht. Eine kleine, ängstlich verschwitzte Hand zu reichen, Angst zu haben, dass diese zu fest gedrückt wird, oder einfach Angst vor der Person, der man die Hand reichen sollte. Und irgendwann war es dann erlernt, dieses Händeschütteln, der feste Hände-druck, Ausdruck von Redlichkeit. In Österreich noch verbunden mit einem direkten Blick ins Gesicht. In anderen Kulturen wäre das ja eine Respektlosigkeit.
Die kulturelle Seite des Grüßens
Wie gegrüßt wird, hängt mit Kultur zusammen, aber auch mit den gesellschaftlichen Kreisen, zu denen man zählt. Im Alltag denken wir nicht viel darüber nach – ganz automatisch schätzen wir die Situation ein und entscheiden uns für die passende Begrüßung. Doch über die Bedeutung des Grüßens sind meterweise soziologische Abhandlungen verfasst worden. Respekt, Vertrauen, Höflichkeit, Nähe, Zugehörigkeit und vieles mehr werden beim Gruß abgehandelt. In Europa ist das Grüßen auch stark vom Christentum geprägt: Viele Grußformeln sind eigentlich Segenssprüche – ob Grüß (dich) Gott, tschüss, adiós oder adieu (die letzten drei stammen vom lateinischen ad deum, also „zu Gott“).
Grüßen im Wandel der Zeit
Das Grüßen unterliegt natürlich auch dem Wandel der Zeit. „Mach einen schönen Knicks, einen ordentlichen Diener“, haben manche von uns noch als Kinder gehört, wenn der Herr Bischof oder der Landeshauptmann im Ort war. Aber wenn in meiner Kindheit die Tanten aus der Stadt in ihren modernen Kleidern, umhüllt von faszinierenden Düften und umwuselt von einem eigenartig geschorenen Pudel, mein Elternhaus betraten, war anderes angesagt: Küsschen rechts und Küsschen links. Damit war ich vorbereitet auf die Grußrituale, die mir später im Studium oder im Freundeskreis begegneten: Wangenküsse und Umarmungen.
Doch seit 2020 sind die gewohnten Rituale plötzlich nicht mehr erlaubt oder sogar gefährlich … denn Viren werden auch durch Händeschütteln übertragen – und Küsschen und Umarmungen sind erst recht problematisch. Plötzlich ist unklar, wie gegrüßt werden soll. Fäuste, Ellbogen oder manchmal auch Schuhspitzen, die einander berühren, gelten in Corona-Zeiten als sichere Begrüßungen. Auch Verbeugungen sind wieder alltäglich geworden.
„Ich sehe dich, nehme Kontakt mit dir auf, erweise dir Respekt und freue mich, dich zu sehen“ – all das drückt der Gruß am Beginn eines Gesprächs, einer Begegnung aus. Und als Abschluss rahmt er unser Miteinander. Welche Form dieser Gruß hat, ist nicht entscheidend. Was zählt, ist der Gedanke dahinter. Und es werden sich immer wieder neue Gesten bilden, gruppenspezifische und gesellschaftlich übliche.
Lächeln mit den Augen
Im Lebensmittelgeschäft reißt mich der Gruß einer Verkäuferin aus meinen Gedanken. Das „Grüß Gott!“ wird verstärkt durch die Freundlichkeit in ihren Augen. Ein Lächeln in den Augen zu erkennen, trotz Mund- Nasen-Schutz, haben wir jedenfalls in den vergangenen Monaten geübt. Und ich denke, dieser lächelnde Gruß hilft uns Menschen derzeit am meisten. Als soziale Wesen sind wir angewiesen auf freundliche Kontaktaufnahme und gegenseitiges Wahrnehmen. Das Lächeln in den Augen – es trägt uns durch den Tag.
Dieser Artikel erschien zuerst in "Grüß Gott!" – Magazin über Gott und die Welt Frühjahr 2021, herausgegeben von der Katholischen Kirche in OÖ.