Das innere Kind
Mit den Zehen im Sand des gluckernden Bachs wühlen, der sich fröhlich durch die blühende Wiese schlängelt. Zusehen, wie die goldenen Glimmerpartikel im Wasser funkeln, als hätte sie eine weise Kraft geradewegs für mich hineingestreut, damit ich ins Staunen gelockt werde wie ein Kind …
Spielen holt uns ins Hier und Jetzt
Es ist erstaunlich, aber es wirkt bei Kindern wie Erwachsenen: Wer sich mitnehmen lässt von der Innigkeit eines faszinierenden Augenblicks, der erfährt mit allen Sinnen viel Schönes. Das Rundherum wird bedeutungslos, die Zeit bleibt stehen und auf einen Schlag sind wir ganz eins mit den kühlen Wasserwellen, die unsere Fußsohlen umspielen. Ob diese dann sanft liebkosend oder anregend kitzelnd wahrgenommen werden, hängt von unserem momentanen Befinden ab und von der Offenheit, sich spielend auf das Gegenwärtige einzulassen.
Magdalena Froschauer-Schwarz ist Pastoralassistentin in den Pfarren Kirchschlag und Hellmonsödt. © Froschauer
Kinder können das exzellent. Zu jedem Steinchen im Fluss, zu jedem glitzernden Wassertropfen können sie eine Beziehung aufbauen. So begreifen sie im wahrsten Sinne des Wortes die Welt. Sie haben noch eine Ur-Zuwendung zur Schöpfung, machen sich den krabbelnden Käfer am Ufer neugierig vertraut, anstatt sich mit ängstlicher Vorsicht abzugrenzen. All das wirkt ausgleichend. Wir werden entschleunigt oder aktiviert – je nachdem, was wir gerade brauchen. Etwas Weises tief in unserer Mitte nimmt uns im selbstvergessenen Spiel an die Hand und weckt in uns Lebendigkeit.
Ein spielerisch-zärtlicher Gott
In den biblischen Sprüchen Salomos, die lange vor Christi Geburt abgefasst wurden, wird die Figur der Weisheit als Gespielin Gottes erwähnt. Schon vor der Erschaffung der Welt sei sie ihm nahe gewesen und hätte ihn – Gott – mit Freude erfüllt und inspiriert zur Gestaltung einer einzigartigen Schöpfung, die vibriert vor Lebenslust und zärtlicher Kraft. Judentum und Christentum kennen also spielerische Facetten an Gott: heiter, leicht, beschwingt, lebendig-lustvoll – diese Qualitäten sind von Gott her als Lebenselixier für den Menschen gedacht.
Du bist von Grund auf gut, so wie du bist!
Zutiefst christlich ist es, wenn wir wie Kinder achtsam und dankbar für das naheliegende Kleine, aber auch für die großen Geschenke sind, etwa für die Zusage: „Du bist von Grund auf gut, so wie du bist! – Lebe das volle Leben.“
Das Kind in mir zeigen und wachsen lassen
Wir sollten uns trauen, das Kind in uns zu zeigen. Gehen wir bewusst und behutsam in Zwiesprache mit den Ängsten und Bedürfnissen unseres inneren Kindes. So gelingt es leichter, Schutzpanzer abzulegen, die uns vom Leben trennen. Viele Erwachsene haben das innere Kind im Lebensernst versteckt. Dabei täte es uns gut, ohne innere Zensur zu lachen und zu weinen, mit „dummen“ Fragen Löcher zu bohren und uns nicht für „gescheite“ Antworten zu schämen. Sich übermütig mit Heu zu bewerfen, in die Sterne zu schauen, den Glühwürmchen beim Glühen zuzusehen und Sand durch die Finger rieseln zu lassen ohne Blick auf die Uhr … das alles wirkt heilend auf die Wunden unserer Seele – und es ist herrlich vergnüglich!
Der Artikel erschien am 9. August 2020 in den OÖ. Nachrichten in der Rubrik „Mystik & Geist“, eine Kooperation zwischen den OÖ. Nachrichten und der Katholischen Kirche in Oberösterreich.