Wo findet man Gott eigentlich?
Auf der Suche nach Gottes Spuren sind keine weiten Reisen nötig. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, wird überall fündig: in den Gassen der Stadt, im Fußballstadion, im Klang eines Instruments – und sogar im Gefängnis. Ein spiritueller Streifzug.
Marko Raguž © Raphael Gabauer
Marko Raguž: Der Goalgetter
Zwei Schritte mit rechts über die Linie, ein Kreuzzeichen, ein Vaterunser: Mit diesem Ritual läuft LASK-Stürmer Marko Raguž vor jedem Spiel auf den Platz. „Ich bete aber nicht dafür, dass ich drei Tore schieße oder so, sondern dass ich gesund bleibe und meine Teamkollegen auch.“ Denn dem 22-Jährigen sind Verletzungen und Rückschläge nicht fremd. Umso schöner die Momente, wenn alles klappt und der Ball den Weg ins Netz findet: „Als ich gegen Alkmaar zwei Tore geschossen habe, war ich einfach dankbar, dass ich so weit gekommen bin. Ohne meinen Glauben wäre das nicht möglich gewesen. Er macht mir aber auch bewusst: Es gibt wichtigere Dinge im Leben als Fußball.“ «
P. Christian Marte © Thomas Straub
P. Christian Marte: Der Hoffnungsvolle
Die Fenster sind vergittert, die Betonwände nur mit einer dünnen Schicht Farbe verziert: Es gibt gewiss schönere Gotteshäuser als die Gefängniskapelle der Justizanstalt Innsbruck. Und doch spürt Christian Marte hier eine Nähe zu Gott. Der Jesuit ist Seelsorger für die Gefangenen und die Bediensteten. Zu den Gottesdiensten in dieser nüchternen Kapelle bringen die Insassen ihre Angst und ihre Bitten.
Als Priester betet Christian Marte für die Familien und Freunde der Gefangenen – und auch für die Opfer von Verbrechen: „Das Gefängnis ist eine Grenzsituation im Leben. Dort spürt man deutlich: Wir brauchen Hoffnung, um zu leben. Gott können wir um diese Hoffnung bitten. Wen sonst, wenn wir selbst nicht mehr weiterwissen?“ «
Michi Gaigg © Robert Maybach
Michi Gaigg: Die Passionierte
Es war die „Matthäus-Passion“, die Michi Gaiggs Leben geprägt hat. Als sie im Jugendalter das erste Mal der ergreifenden Komposition von Johann Sebastian Bach lauschte, tauchte sie in eine völlig neue Klangwelt ein. Ein zutiefst berührendes Erlebnis, das ihre musikalische Laufbahn prägen und ihr den Glauben an Gott eröffnen sollte. Diese Spiritualität ist auch spürbar, wenn die Leiterin des L’Orfeo Barockorchesters über die Saiten ihrer italienischen Barockvioline streicht. „Das ist meine kleine Prinzessin“, sagt sie über das Instrument aus dem Jahr 1687. Sein zeitloser Klang begleitete sie drei Jahrzehnte lang während Auslandsaufenthalten in London, Den Haag, Straßburg und München. Heute lebt die erfolgreiche Dirigentin gemeinsam mit ihrer Familie in einem Haus am Attersee und genießt die Ruhe in ihrem Garten am Seeufer. «
Martina Resch © Robert Maybach
Martina Resch: Die Wundersucherin
Wenn Martina Resch durch Linz streift, hat sie kein besonderes Ziel – und braucht auch keines. Bei der Diözese Linz gestaltet die Theologin den Blog wundersucherin.at und nimmt dafür den Spruch „Gott in allen Dingen finden“ wörtlich. Täglich dreht sie ihre Runden, holt die scheinbar unwichtigen Dinge in den Vordergrund – und lädt so ihre Mitmenschen ein, den Blick für das Göttliche im Alltag zu schärfen.
„Es beginnt damit, das Schritttempo zu verringern und nach oben zu schauen. Wenn man so durch die Stadt geht, können einem die Gassen und Häuserfassaden viel erzählen. Ich gehe nicht herum und rede von Gott. Er ist schon da – in den Dingen, die uns umgeben, die uns kleiden und die unseren Lebensraum gestalten.“ «
Dieser Beitrag erschien im Magazin "Grüß Gott!" – Das Magazin über Gott und die Welt in der Ausgabe 3 / Herbst 2020. Es wird von der Kirche in Oberösterreich herausgegeben und erscheint zwei Mal im Jahr.