Kriegen wir das auf die Weihe?
Schon als Ministrantin war Stefanie Hinterleitner Feuer und Flamme für ihre Aufgaben. Kein Wunder, dass sie am liebsten den Dienst der Fackelträgerin übernommen hätte. Ihr fehlte aber bereits im Kindesalter etwas Entscheidendes für eine Karriere in der katholischen Kirche: ein Y-Chromosom. Heute ist die 29-Jährige Pastoralassistentin in der Dompfarre Linz und Leiterin des Begegnungszentrums der Katholischen Jugend. Die Grenzen des Möglichen werden ihr aber auch Jahre später noch aufgezeigt. „Wenn ich Priester sehe, denk ich mir schon: Wir haben die gleiche Ausbildung und spüren die gleiche Berufung“, sagt sie, „aber als Mann kann er Priester sein und ich nicht – nur weil ich eine Frau bin. Das hab ich mir ja nicht ausgesucht.“
Wohin geht es? Schon als Kind wollte Stefanie Hinterleitner Pfarrerin werden. Und sie hat ihren Kindheitstraum nicht aufgegeben. Sie hat in Linz Theologie studiert – mit dem Ziel, Seelsorgerin zu werden. Heute ist sie Pastoralassistentin in der Dompfarre Linz und Leiterin des Begegnungszentrums der Katholischen Jugend. |
Wer Stefanie Hinterleitner bei Wortgottesdiensten erlebt, kann sie sich gut als Pfarrerin vorstellen. Auch sie selbst denkt oft daran, wie es wohl wäre, dürfte sie sich weihen lassen. „Mit der Weihe sind viele Dinge verbunden, zum Beispiel das Spenden der Sakramente, die für mich in der Seelsorge sehr wesentlich sind, ich aber nicht machen darf.“
Damit ist Stefanie Hinterleitner nicht allein. Die Frage nach der Weihe für Frauen ist ein theologisches Dauerthema, über das eigentlich schon immer debattiert wurde. Nur Papst Johannes Paul II. meinte, da gäbe es nichts zu diskutieren. 1994 schrieb er: „Damit also jeder Zweifel (…) beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken, dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“
Wir haben die gleiche Ausbildung und spüren die gleiche Berufung.
Stefanie Hinterleitner
Doch die letzten Worte waren das noch lange nicht. Die katholische Kirche hat mittlerweile bewiesen, dass nicht alles bleiben muss, wie es immer war, wenn es um Frauen geht. Maria Magdalena ist – das hat Papst Franziskus verfügt – seit 2016 offiziell die „Apostelin der Apostel“. Die Kirche erkennt damit an, wie bedeutend Maria Magdalena war (bevor Papst Gregor I. sie im 6. Jahrhundert zur ehemaligen Prostituierten und Sünderin gemacht hat). Sie gilt heute als eine der engsten Vertrauten Jesu. Sie war nicht nur die einzige Jüngerin, die bis zu seinem Tod bei ihm blieb, sondern auch die erste Zeugin seiner Auferstehung. Für viele Frauen in der Kirche ist Maria Magdalena ein echtes Vorbild.
Diskussion um die Diakonin
Auch Andrea Rockenbauer ist eine Frau, an der sich andere orientieren. Als Juristin hat sie in einem Konzern Führungspositionen übernommen, unter anderem in den Bereichen Revision und Risikomanagement. Als Pfarrgemeinderätin und Pfarrgemeinderatsobfrau hat sie sich außerdem viele Jahre lang und mit viel Hingabe für die katholische Kirche engagiert; zuletzt hat sie die Zukunftslösung für die Pfarren Gmunden-Ort und Gmunden – nämlich deren Zusammenlegung – mitgestaltet. Wäre Andrea Rockenbauer ein Mann, ist man sich in ihrem Umfeld sicher, hätte sie alles erreichen können: Diakon, Priester, Bischof! Sie selbst sieht das anders; sie habe nie eine derartige Berufung verspürt.
Ehrenamt. Andrea Rockenbauer war Obfrau des Pfarrgemeinderats Gmunden-Ort und übernimmt in ihrer Pfarre Aufgaben als Mesnerin und Lektorin. Sie hat nicht nur in der Wirtschaft als langjährige Bereichsleiterin in einem großen Konzern, sondern auch in der Kirche viel Verantwortung übernommen. |
„Ich denke, ich habe andere Fähigkeiten, die ich für eine gute Weiterentwicklung der Kirche einbringen kann“, sagt sie. Doch das Verständnis für die Ungleichheit der Geschlechter fehlt auch ihr. „Dass Frauen aus theologischen Gründen anders behandelt werden, ist für mich nicht logisch nachvollziehbar, sondern schlicht aus der Historie gewachsen.“ Deshalb wirken wohl auch viele der Argumente, die gegen eine Priesterweihe für Frauen sprechen sollen, wie aus einer anderen Zeit. Die Sache mit der Person Christi zum Beispiel. Priester, die am Altar auftreten, tun das „in persona Christi“ – quasi als Vertretung für Jesus. Weil Jesus ein Mann war, müssten alle Priester männlich sein. Jesus war aber auch ein Jude aus Galiläa. Trotzdem dürfen Katholiken aus Österreich Pfarrer werden. Wie passt das zusammen?
Das fragt sich auch Gregor Maria Hoff, katholischer Theologe und Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Universität Salzburg. Er sagt: „Gott lässt sich nicht über ein Geschlecht identifizieren. Sein Handeln sprengt die Grenzen sexueller Zuordnung. Seine Liebe zeigt sich unbegrenzt.“ Und das müsse sich auch in den Ämtern widerspiegeln.
Der Linzer Bischof Manfred Scheuer sieht das ähnlich. Er setzt sich deshalb schon lange für die Weihe von Frauen zu Diakoninnen ein und hat die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern sogar in einem Brief an Papst Franziskus gefordert. Der wiederum lässt seit einiger Zeit tatsächlich darüber beraten, wie es mit dem Amt des Diakons weitergeht. Viele Frauen und Männer in der Kirche sehen diese Diskussion als Fortschritt. Gleichzeitig hat sich Franziskus aber schon vor vielen Jahren auf die Seite von Papst Johannes Paul II. gestellt, was das Frauenpriestertum angeht – und das Nein der Kirche dazu bekräftigt.
Dass Frauen aus theologischen Gründen anders behandelt werden, ist für mich nicht logisch nachvollziehbar, sondern schlicht aus der Historie gewachsen.
Andrea Rockenbauer
Andrea Rockenbauer, die sich mittlerweile ehrenamtlich als Mesnerin und Lektorin engagiert, glaubt trotzdem an eine Veränderung, wenn auch nur langsam. „Ich würde mir wünschen, dass wir das Thema Weihe für Frauen mutiger in die Hand nehmen“, sagt sie. „Frauen machen die Arbeit, werden aber oft nicht wertgeschätzt. Und die Charismen, die sie auch jetzt schon einbringen könnten, werden durch die Fokussierung der Kirchenführung auf das Primat der Weihe zu wenig wirksam.“
Von den 1.455 Frauen und Männern, die im pastoralen Dienst tätig sind, also hauptamtlich für die katholische Kirche arbeiten, sind tatsächlich eine große Mehrzahl Frauen: 883. Unter ihnen sind auch solche, die eine Führungsposition innehaben. Das Pastoralamt in Linz hat beispielsweise eine Direktorin. Auch sonst passiert in der Diözese Linz in Sachen Gleichberechtigung viel: Vor fast 20 Jahren wurde in der Diözese bereits ein „Equality-Leitbild“ erstellt, es gibt eine Frauenbeauftragte und eine Frauenkommission sowie Gleichstellungsbeauftragte in allen Ämtern.
Reformieren statt rebellieren
Auch in der Caritas Oberösterreich herrscht ein hohes Bewusstsein für das Zusammenwirken von Frauen und Männern – und genau das schätzt Edith Bürgler-Scheubmayr an ihrem Arbeitgeber. Sie ist stellvertretende Direktorin der Caritas Oberösterreich, seit 1998 arbeitet sie in der Hilfsorganisation. „Ich habe Hierarchien bei uns immer so erlebt“, sagt sie, „dass die Person, die Führungsaufgaben übernimmt, an ihrer Arbeit gemessen wird. Egal, wer es war.“
Blick nach vorn. Edith Bürgler-Scheubmayr meint: Mit der Weihe von Frauen wird es schneller gehen als gedacht. Sie ist seit 1998 Mitarbeiterin der Caritas Oberösterreich, wo sie die unterschiedlichsten Aufgaben innehatte. Heute ist Bürgler-Scheubmayr die stellvertretende Direktorin. |
Nur einmal wurden ihr im Umfeld ihres Glaubens die Grenzen aufgezeigt. Das war Ende der 1970er-Jahre. Damals wollte Edith Bürgler-Scheubmayr unbedingt Ministrantin werden. Doch erst 1992 wurden Mädchen als Ministrantinnen in Österreich zugelassen. Damals hat sie das nicht hinterfragt, heute weiß sie: „Ich würde es in einer Pfarre, in der Frauen gar keine Möglichkeit haben, Verantwortung zu übernehmen, sehr schwer aushalten.“ Zumal es ja Beispiele gibt, die zeigen, dass Gleichberechtigung eine Bereicherung ist – nicht nur auf Pfarrebene.
Die evangelische Kirche ist etwa stolz auf die Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Frauenordination wird dort seit 1965 praktiziert und ist schon lange eine Selbstverständlichkeit. Darauf setzt auch Edith Bürgler-Scheubmayr: „Ich hab das Gefühl, dass ich das in der katholischen Kirche auch noch erleben werde. Was wir auch an anderen Stellen sehen – dass das Amtsverständnis bröckelt und Hierarchien hinterfragt werden –, wird auch die katholische Kirche beeinflussen.“
Sich von der Kirche zu verabschieden ist für die meisten Frauen keine Option. Maria Hagenschneider, eine der Aktivistinnen der Initiative „Maria 2.0“ für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der katholischen Kirche, schreibt in ihrem Buch „Es reicht jetzt! Frauen in der katholischen Kirche stehen auf“: „Die Lösung liegt nicht im Kirchenaustritt, sondern in Reformen.“
Was wir an anderen Stellen sehen – dass das Amtsverständnis bröckelt und Hierarchien hinterfragt werden –, wird auch die katholische Kirche beeinflussen.
Edith Bürgler-Scheubmayr
Das sieht auch Stefanie Hinterleitner so. Solange sie Teil der Gemeinschaft sei, könne sie mitreden und sich für die Frauen in der Kirche einsetzen. „Ich bin überzeugt davon, dass ich etwas bewirken kann“, sagt sie. „Ich versuche, meine Arbeit so gut wie möglich zu machen und eine gute Seelsorgerin zu sein. Wenn Menschen spüren, dass ich sie begleiten möchte, und merken, dass man mit mir genauso gut über Kirche und Glauben sprechen kann wie mit Männern, erkennen sie, falls sie das nicht schon gewusst haben: Frauen können das Gleiche wie Männer.“ Und dann ist die Frage nach dem Geschlecht vielleicht bald Geschichte.
Andrea Rockenbauer geht es ähnlich. Auch sie möchte für andere da sein. Das steht für sie im Vordergrund. „Glauben zu dürfen ist ein Geschenk“, sagt sie. „Mich hat mein Glaube gut begleitet, ich hab mich davon getragen gefühlt. Mir ist dadurch immer die notwendige Hilfe zuteilgeworden, darum bringe ich mich ein – damit es dieses Angebot für andere Hilfesuchende in Zukunft auch gibt.“
Die Frauen in der Kirche, sie suchen vielleicht die Weihe, aber nicht das Weite. Sie engagieren sich für die Gemeinschaft und machen das vor allem gerne. Ihr Gottvertrauen, es lässt sie eben auch an das Gute glauben: an Veränderung.
Dieser Text ist erstmals in "Grüß Gott!" – Magazin über Gott und die Welt 01/2021,
herausgegeben von der Katholischen Kirche in OÖ, erschienen.